Was für eine Erfolgsgeschichte!

Kristina Vogel aus Erfurt (Deutschland) war Doppel-Olympiasiegerin auf der Radrennbahn, vielfache Europa- und Weltmeisterin. Die Erfolgreichste Radsportlerin der Welt. Und dann das! 2018. Eine normale Trainingsfahrt auf der Radbahn. Plötzlich und unerwartet steht da jemand auf der Bahn. Crash. Bei vollem Tempo auf den Betonboden. Mehrere Wochen Kampf ums Überleben. Querschnittslähmung. Oje, denkst du dir, jetzt ist alles vorbei … – oder?

Gibt es ein Leben nach der Katastrophe?

 

 

Wer jetzt denkt, dass seitdem Verbitterung und Hader ihr Leben prägen, hat sich getäuscht. Wenn man sich ihre Seite im Internet ansieht (www.kristinavogel.de), findet man einen durchaus lebensfrohen Menschen;
sie teilt ihre Erfahrungen mit, die sie gemacht hat und hält Vorträge über mentale Stärke.

Sie hat auch ein Buch mit einem sprechenden Titel geschrieben:
„Immer noch ich. Nur anders“.
Man gewinnt den Eindruck – und in einem Interview hat sie das auch so ausgedrückt – dass sie einfach keine Lust dazu hatte, sich schlecht zu fühlen.

Ich geb zu, dass ich beeindruckt bin davon, wie sie die Katastrophe ihres Lebens zum Ausgangspunkt nimmt, um sich neu zu erfinden.
Und ich merke, wie ich beim Schreiben darüber selber ganz erfüllt werde von dieser Lust, dieser Freude am Leben, die da zum Ausdruck kommt – und wie der eigene Lebensmut dabei steigt.
Und ich glaube, es ist Menschen immer schon so ergangen. Phönix, der sich aus der Asche erhebt – das ist ein ganz altes mythologisches Motiv.

Wie das Bild, das ich auf einem Teppich in der portugiesischen Synagoge in Amsterdam entdeckt habe. Es ist der stolze Ausdruck dafür, wie die jüdische Gemeinde – die um 1500 aus Portugal vertrieben wurde – in Amsterdam zu neuem Leben gekommen ist.

587 vor unserer christlichen Zeitrechnung. Die Babylonier, kriegserprobte Leute – dringen nach Jerusalem ein, zerstören den Tempel Salomos und deportieren breite Schichten der Bevölkerung nach Babylon. Das Ende des Volkes Israel – so scheint es.
Und doch ist es der Beginn von etwas ganz Neuem. Die Bibelwissenschaft ist sich heute in großen Teilen einig darüber, dass diese Katastrophe erst den Anstoß dafür gegeben hat, die vielfältig überlieferten Erzählungen zu sammeln. Viele Texte sind überhaupt erst nach dieser Katastrophe entstanden. Diese Sammlung, und Neuformulierung – die aus der Erfahrung der Katastrophe entstanden ist – ist zu unserer Bibel geworden. Es ist der Mut, sich von der Katastrophe nicht unterkriegen zu lassen.

Die Bibel selber

ist ein Zeugnis dafür,

wie aus der Katastrophe

neues Leben entsteht.

Der christliche Glaube bringt diese Dynamik im Geheimnis des Glaubens zum Ausdruck, das in jeder Messe gebetet wird.

Die Katastrophe nicht als Ende begreifen – sondern als Anfang von etwas bisher noch nicht Dagewesenem.

Deinen Tod, o Herr
verkünden wir
und Deine Auferstehung preisen wir.
Bis Du kommst in
Herrlichkeit.

Im Glasfenster der Josefskapelle* im Lienzer Franziskanerkloster kommt das für mich sehr schön zum Ausdruck.

Der Tabernakel in der Mitte ist das christliche Urbild der Katastrophe: der Leib des Herrn – am Kreuz gebrochen für uns. Wie aus dem Feuer des brennenden Dornbuschs – in dem GOTT gegenwärtig ist – geht von ihm Licht und Wärme aus –
und erhellt das Dunkel der Welt.

Vielen Menschen ist dieses Geheimnis unseres Glaubens bereits zum Hoffnungsanker des eigenen Lebens geworden – und hat sie neuen Mut finden lassen.

Albine aus Klagenfurt etwa. Ein Zeckenbiss hat sie ziemlich aus der Bahn geworfen. Fast ein Jahr hat sie gebraucht, bis sie nach der Borreliose langsam wieder gehen lernte. Ich durfte sie kennenlernen und obwohl sie sich nur mehr mit dem Rollator fortbewegen kann, strahlt sie eine Lebensfreude aus, die mich sehr bewegt. Die Leben stiftende Kraft ihres Glaubens hat mich beeindruckt.

Es ist gleichsam ein Vorausbild für die Hoffnung auf den treuen Gott. Dass er uns dereinst nicht im Dunkel des Todes versinken lässt, sondern sich auch in unserem Tod als treu erweist und uns – auf welche Weise auch immer – neues Leben schenkt.
Ein letztes noch: Das sagt uns auch etwas über unsere Aufgabe als Christen:

Eine Szene aus der Kreuzigungsgruppe in der Josefskapelle spricht mich in dieser Hinsicht sehr an. Jesus am Kreuz begegnet seiner Mutter und spricht sie an.

Einander in den Katastrophen unseres Lebens beistehen. Einander nahe sein – und so die Welt um uns herum zu einem besseren Ort machen.
Das ist eine Botschaft, die es wert ist, verbreitet zu werden. Hier bei uns und weltweit.

Roland Hofbauer, Diakon im Seelsorgeraum Lienz-Süd
* Anmerkung

zur künstlerischen Gestaltung

der Josefskapelle

im Lienzer Franziskanerkloster (Angerburg):

Jahr: 1975

Künstlerinnen: Ave Cerquetti und Tecla Rantucci vom Künstlerstudio Centro Ave Arte (Loppiano / Italien)